Netzaktivisten II

BildNetzaktivismus(Quelle: www.n-tv.de)

Dass es Netzaktivismus jedweder politischen Couleur gibt, muss hier nicht näher ausgeführt werden. Das ist in der virtuellen Welt nicht anders als in der Realität. Wie werden die Handlungen der Aktivisten und Aktivistinnen bewertet? Sind die Attacken, wenn sie begründet werden, auch automatisch gerechtfertigt? (Schuldt, S. 37)

Ist es moralisch vertretbar, wenn sich Netzaktivisten vom Staat instrumentalisieren lassen?  (siehe Teil 1) Oder degradieren sie sich hiermit zu gemeinen Kollaborateuren, die dem Überwachungsstaat zuarbeiten? Wo ist die Grenze zur Denunziation?

Vielleicht ist das Wort „kollaborieren“ etwas allzu wertend, ja, moralisch nicht besonders auf Rosen gebettet. Man könnte hier auch von „kooperieren“ sprechen. Gerade im Kampf gegen islamistische Terroristen wäre wohl eine Kooperation sinnvoller. Ist dies ethisch vertretbar? Es scheint, dass die westlichen Behörden ein grösseres Problem hätten, wenn Anonymous die angekündigte Ausschaltung des IS im Internet gelingt: Sie hätten dann überhaupt keinen Zugang mehr auf die Aktivitäten der Terroristen im Internet.

Es macht einen Unterschied ob eine Gruppe unter Anonymous die Seiten des Ku-Klux-Klan lahmlegt oder Netzaktivisten in der Türkei etwa gehackte Daten und Informationen der Kurden an Erdogans Regime weiterleiten würden. Auch wenn es mehr oder weniger die gleiche Handlungsweise ist. Die Motivation und das Ziel sind in moralischer Hinsicht komplett verschieden. Wenn mit der Handlung ein übles Vergehen oder Verbrechen verhindert werden kann, sind illegale Taten der Netzaktivisten und Netzaktivistinnen gerechtfertigt, ja sogar notwendig.

Es ist moralisch vertretbar, mit einem guten Willen durch eine illegale Handlung, Böses aufzudecken, anzuzeigen oder unschädlich zu machen. Ob es moralisch ist, wenn sich Gruppen oder Individuen aus dem Netzaktivismus von Behörden benutzen lassen, hängt vom jeweiligen Kontext ab. Beispielsweise war die Denunziation während der Entnazifizierung des besetzten Deutschlands nach dem zweiten Weltkrieg ein Teil der staatlichen Informationsbeschaffung. Sie diente der Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen. Andererseits wurde sie in der DDR eingesetzt, um die Bevölkerung zu kontrollieren, was wiederum verbrecherisch ist. Es ist ein weites Feld und das Lager, in welchem man sitzt (lebt man in einem Rechtsstaat oder nicht?) und die Warte (eigene politische Gesinnung), von der man auf die Sache blickt, spielen hier eine wesentliche Rolle.