Netzaktivisten I – Kollaborateure oder freie Idealisten?

Anlass zu diesem Beitrag ist ein Artikel in der ZEIT vom 25. Mai 2016 über den Hacker Digita Shadow, der gegen den „Islamischen Staat“ kämpft. Der Autor des Artikels, Jens Tönnesmann, wollte den Hacker Digita Shadow persönlich treffen, wurde von diesem jedoch versetzt. Sogenannte Anti-IS-Hacker, die sich zum Kollektiv Anonymous zählen, setzen auf Distributed-Denial-of-Service-Attacken (DDoS). Dabei überlasten sie Server mit einer Abfragelawine bis diese nicht mehr erreichbar sind. Seit 2015 existieren mehrere Gruppen, die gegen den IS kämpfen. Sie heissen „Ghost Security Group“, „GhostSec“ und „CtrlSec“. Diese sind besser organisiert als Anonymous und auch als ihre Gegner vom Cyber-Kalifat. „Islamischer Staat, wir kommen, um Gerechtigkeit zu bringen“. „Wir sind Geister, die du erschaffen hast.“ Mit diesen Tweets und einer Trikolore erklärte ein Mann in den USA nach den Terroranschlägen in Paris den Gegenangriff. Im Internet, wo die Terroristen ihre Anschläge feiern, Geld sammeln, Mitstreiter rekrutieren und Angriffe planen, kämpft Digita Shadow gegen den IS, dem er nur virtuell begegnen wird. Digita Shadow selbst wird vom California State Threat Assessment Center als „nicht organisierten Hacker“ und „bösartigen Cyberakteur“ bezeichnet. Es bezieht sich dabei auf illegale Attacken auf die Server der Polizei und Gemeinden. Sein Kampf gegen den IS ist ein edles Ziel, sein Handeln aber illegal und lässt sich auch nur schwer belegen. Für eine Aktivistin der Hackergruppe GhostSec gehören illegale Angriffe zum zivilen Ungehorsam. Zwischen den verschiedenen Gruppen gibt es aber ein wichtiger Unterschied:  Wie sie mit den Behörden kollaborieren. So gibt GhostSec nur gelegentlich Daten an den Staat weiter. Ghost Security Group hingegen lässt sich von den Behörden bezahlen. Wird hier der Kampf gegen den Terrorismus im Netz zum Geschäftsmodell? Und ist Digita Shadow letztendlich nur ein Profiteur? Von Seiten Ghost Security Group wird dementiert, dass sie vom Staat bezahlt wird. Und alles was zähle, sei, dass sie dem IS gravierende Schäden zufügten. Weggekommen von Haudrauf-Methoden, schmuggeln sie sich mehr und mehr in die Netzwerke der Terroristen, um diese abzuhören. Michael Smith (Gründer der Sicherheitsberatung Kronos Advisory) riet den Hackern, die bis 2015 noch recht naiv unterwegs waren, die Treffpunkte der Terroristen auszuspähen und mit der Behörde zusammenzuarbeiten. Gemäss ihm hätten ihre Hinweise geholfen, einen Anschlag in Tunesien zu verhindern. (Tönnesmann 2016)

Also doch bezahlte Kollaborateure? Auf Twitter bezeichnet Digita Shadow seine Gruppe „the official ghost security“. Sein Profilbild mit der US-Flagge im Hintergrund und die Namen der Mitglieder (z.B. AntijihadiGhost) suggerieren eine patriotische Gesinnung. Geht es hier um einen patriotischen Widerstand, wie es in der FAZ vom 11.6.2016 im Feuilleton Michael Hanfeld schreibt? Pegida und digitale Bürgerwehren lassen grüssen.