Die Moral der Hacker im Fokus I

Nachdem wir im letzten Beitrag zu Hackern ihre Moral vorgestellt haben, werden wir sie in diesem analysieren und einordnen. Um die Grundsätze umfassend zu verstehen, werden wir jeweils die deutschen Variante des Chaos Computer Clubs (2016) mit der englischen aus dem Buch von Levy (1994) vergleichen.

Der Zugang zu Computern und allem, was einem zeigen kann, wie diese Welt funktioniert, sollte unbegrenzt und vollständig sein.

Access to computers and anything which might teach you something about the way the world works should be unlimited and total. Always yield to the Hands-On Imperative!

Als Tüftler, welche gerne Sachen auseinandernehmen, ist Hackern der Zugang zu Computern sehr wichtig. Der Grundsatz wird auch auf alles andere, welches für das Verständnis der Welt benötigt wird, ausgeweitet.

Der englische Text zeigt genau, um was es geht, den „Hands-On Imperative“: Man soll selbst Hand anlegen können! Um etwas zu verstehen, muss man es auseinandernehmen können. Dabei sollen einem keine Hindernisse in den Weg gelegt werden. Gerade Computer und Unterhaltungselektronik entfernen sich jedoch immer mehr von diesem Grundsatz. Wie man auf ifixit.com (Link) nachlesen kann, sind viele moderne Computer, Laptops und Smartphones geschlossene Systeme, welche sich kaum mehr auseinandernehmen, und somit selbst reparieren lassen (Apple Produkte zeichnen sich hier aus). Produkte wie das Fairphone (link) sind die Ausnahme. Rechtliche Hindernisse, wie das Wegfallen der Garantie, können dies noch verstärken.

Eine vergleichsweise Entwicklung fand schon viel früher bei der Software statt. Die Gegenbewegung dazu war Freie / Opensource Software.

Der offene Zugang ist ein wertvoller Grundsatz. Ohne diesen verliert man nicht nur die Möglichkeit, mit seinem Eigentum zu machen was man will. Auch verhindert es, dass sich neue Generationen Wissen über die Funktionen ihrer Geräte selbst aneignen können. Somit wird viel Potential verschleudert und die Gesellschaft macht sich von den jeweiligen Herstellern abhängig.

Alle Informationen[i] müssen frei sein.

All information should be free.

Dieser Grundsatz, welcher in der Variante des CCC noch stärker formuliert ist, ist in dieser Form problematisch. Auch Passwörter, Gesundheitsdaten, Kreditkartennummern und persönliche Dateien sind Information. Es wäre verheerend, wenn diese für jeden frei verfügbar wären. Soweit ist das aber nicht zu verstehen, wie dem letzten Grundsatz des CCC zu entnehmen ist. Im Kontext der Hackerkultur, geprägt von freiem akademischem Wissensaustausch, war proprietäre Hard – und Software vielmehr ein Fortschrittshindernis. Wer nicht auf alle Informationen über die Anwendung seiner IT-Infrastruktur zugreifen kann, kann diese auch nicht verbessern, ist manchmal schon bei der Nutzung eingeschränkt. Noch wichtiger ist aber den freien Zugriff auf eigene Information sicherzustellen. Falls man proprietäre Software verwendet und diese nicht mehr unterstützt wird, kann man den Zugriff auf die eigenen Dateien verlieren. Die Freiheit der Information kann durch die Verwendung offener Standards und Offenlegung von Spezifikationen erreicht werden. Alles Proprietäre ist den Hackern ein Gräuel. Werden Informationen zurückbehalten, schrecken Hacker auch nicht vor Reverse Engineering zurück um Funktionalität nachzubilden und weiterzuentwickeln. [ii]

Schlussendlich ist dies ein ethisch sehr relevanter Grundsatz. Leider ist er nicht ganz deutlich formuliert und es lassen sich nicht direkt moralische Handlungsanweisungen daraus ableiten.

Fortsetzung im folgenden Artikel


[i] Mit Information sind hier auch Daten gemeint

[ii] Ein schönes Beispiel ist die Fotosatz-Maschine Linotron 202, welche von Ken Thompson an den Bell Labs in 6 Wochen Reverse engineered wurde,  da er eine eigene Schrift verwenden wollte. Mehr dazu unter: https://www.youtube.com/watch?v=CVxeuwlvf8w