Anonymität im Netz II

Der Troll provoziert andere im Netz aus Spass, aus Langeweile, aus Rache oder zur puren Schikane. Trolling oder Cybertrolling manifestiert sich im Internet als alltäglicher Sadismus und Narzissmus.

Wie im vorangegangenen Beitrag über die Anonymität im Netz bereits angetönt, haben soziale Medien für sich genaue Regeln aufgestellt, was erlaubt ist und was eben nicht. So schützen sie sich vor unschönen Auswüchsen des Verhaltens oder Handelns von anonymen Akteuren. Facebook beispielsweise verbietet nackte Frauenbrüste oder Videos von Enthauptungen. Dass dies aus rein ethischen  Gründen geschieht, ist eher unwahrscheinlich. Da stehen wohl eher wirtschaftliche Interessen im Vordergrund. Ihnen liegt viel daran, alle Nutzenden bei der Stange zu halten. Verschiedene Firmen betreiben auch content moderation. Meistens werden diese Online-Polizisten-Jobs in ein Billiglohnland ausgelagert. Auf den Philippinen zum Beispiel bewältigen Menschen diese Arbeit für eine Handvoll Dollar. Die Burnoutrate ist hoch und viele leiden  an posttraumatischen Belastungsstörungen. Man hat bei ihnen die gleichen Symptome festgestellt wie bei Kriegsveteranen. (Netzer 2016, S. 74)

Der „Westen“ lagert das Durchforsten nach unmoralischem Inhalt aus und nimmt in Kauf, dass die Angestellten dort daran zugrunde gehen. Wie moralisch ist das denn?

Viele Unternehmen investieren in die Forschung nach computergestützten Lösungen, die einen Troll nicht an seinen Einträgen erkennen, sondern am Verhalten der Diskussionsgruppe, das sich durch das Agieren des Störefrieds ändert. Allen voran sind es Hersteller grosser Computerspiele (zum Beispiel League of Legends), die in die Erforschung dieses Problems mit Rüpeln investieren. Denn einige Teilnehmer meiden das Spiel, wenn sie wiederholt während eines Matches beleidigt werden. Nach dem Spiel werden die Spieler gebeten, ihre Gegner und Mannschaftkollegen zu bewerten: Sie zu loben oder bei unangebrachtem Verhalten zu „reporten“. Die Mehrheit verhält sich zivilisiert, es wird wie in einem normalen Spiel gemeckert und geflucht. Etwa 1% der Spieler fällt jedoch regelmässig aus dem Rahmen. Schnelle Strafen und Verwarnungen („Tribunal“), Ausschluss und das Lenken der Aufmerksamkeit der Spieler (wer viel Unsinn von sich gibt, hat beim nächsten Spiel weniger Botschaften, die er verschicken darf) helfen Schmähtiraden und Beleidigungen in den Griff zu bekommen. (Netzer 2016, S. 74)

Aber wenden wir uns einer positiven Nachricht zu. Eine Studie von 2012 untersuchte das soziale Verhalten im Chat. Dabei wurden 2,5 Mio. Posts von 20’000 Nutzenden aufgrund von unter anderem Schlüsselwörtern und ihrem Kontext ausgewertet. Die Themen der untersuchten Foren waren vielfältig: Von politischen Plattformen über Fussball bis zu Computerproblemen. Das Resultat: die Mehrheit der Nutzenden hat seine Emotionen im Griff, auch wenn andere Diskussionsteilnehmer negative Äusserungen von sich geben. Es gibt nur wenige notorische Stänkerer. (Bergamin 2012)